Führungskräfte in der Trainerrolle

Eine Führungskraft im internationalen Unternehmen stand vor der Aufgabe, zwei Teams verschiedener deutschsprachiger Länder zusammenzubringen. Eine ziemliche Herausforderung, wie sich herausstellte. Die beiden Teams konnten nämlich unterschiedlicher nicht sein:

*Vertriebsteam 1 war nüchtern, aufgeschlossen und sehr pflichtbewusst. Es war top aufgestellt und direkt und klar in seiner Berichterstattung. Die Managerin wusste zu jedem Zeitpunkt, was sich im Team gerade tut, was ansteht und wie die Lösungsansätze lauten. Getan wurde, was zu tun war, ganz einfach. Die Ergebnisse sprachen für sich.

* Vertriebsteam 2 setzte sich aus Mitarbeitern zusammen, die Ihre Qualitäten vor allem im zwischenmenschlichen Bereich zeigten. Sie halfen zusammen, arbeiteten selbstbestimmt und organisierten sich selbst. Das Team war sehr begeisterungsfähig aber auch schnell niedergeschlagen und ratlos, wenn etwas nicht lief wie geplant. Statt dann nach adäquaten Lösungen zu suchen, fanden sie Gründe, warum es nicht geht. Das Problem wurde in den Mittelpunkt gestellt und daran zogen sich alle runter. Die Mitarbeiter kamen so zu keinem Ergebnis - egal wieviel Zeit man ihnen gab – bildeten sich aber ein, das Möglichste getan zu haben. Gesteckte Ziele rückten in weite Ferne, die Chefin wurde außen vorgehalten.

Im Vergleich hob die Arbeitsweise von Team 1 sehr deutlich die Defizite von Team 2 hervor. Weil mit der Zusammenlegung der Teams aber das Gesamtergebnis zählte, entwickelte sich eine gehörige Schräglage in Bewusstsein, Eigenverantwortung, Verständnis von Commitment, Eigeninitiative, Leistungserbringung und letztlich auch in Umsatz und Gewinn.

Die Managerin - die bis dahin übrigens nur Team 2 betreute – kam ratlos zu mir. Wie sollte sie das Dilemma lösen, bevor sich die Vorstände einmischten? Wie sollte sie die Teams abgleichen, ohne ständig zu kritisieren? Ihr fehlten das didaktische Wissen und die Methoden dazu. Im individuellen Einzelsetting bildete ich sie in Teilen quasi zu einer Trainer-Führungskraft für ihre eigenen Mitarbeiter aus.

Wir nahmen uns Zeit für eine gründliche Vorbereitung. Wir legten die Fakten auf den Tisch und konstruierten „ihr“ praxistaugliches und situationsgerechtes Trainer-Modell. In einem Workshop für alle Mitarbeiter aus beiden Teams - der als Vorbereitung für die große internationale Tagung dienen sollte - konnte die Managerin ihre neu erlernte, trainierte und verinnerlichte Methode erstmals umsetzen. Alles lief strukturiert und zielorientiert. Gespräche uferten nicht aus, weil Mitarbeiter stattdessen Gefühle, bekannte Fakten und mögliche Lösungsansätze aufschreiben mussten. Die Managerin lernte die einzelnen Leute in den Gruppen viel besser kennen, sie zu unterstützen, zu begleiten und gegebenenfalls auch hartnäckig dranzubleiben, was sich nach ihrer eigenen Aussage „sehr gut anfühlte“. Zusammengefasst: Ihr eigener Kontrollbereich erweiterte sich, gleichzeitig ermächtigte sie die Teammitglieder zu einem zielgerichteten, selbstständigen Arbeiten.

Lernen als aktiver Aneignungsprozess

Ob man Grund zur Sorge haben muss, dass bald Führungskräfte den Trainer- und Coachingjob machen? Ich bin sicher: Nein. Viele Unternehmen handhaben es längst so und lassen ihre Führungskräfte entsprechend schulen. Trotzdem geht uns Experten nicht die Arbeit aus. Die Formate ändern sich, statt mit einer (großen) Gruppe arbeitet man zunehmend mit einer einzelnen Person bzw. Führungskraft. Das eröffnet sehr individuelle Möglichkeiten. Lernen wird hierbei als aktiver Aneignungsprozess verstanden. Der Klient wird in die Lage versetzt, dass er sich aktiv und selbständig Neues beibringen kann.

Während in den 1970er Jahren der Verlauf eines Seminars belehrungsdidaktisch gestaltet war und Wissen beinahe ausschließlich darbietend vermittelt wurde, stand in den 90er Jahren Autodidaktik im Vordergrund.

Es setze sich die Erkenntnis durch, dass Lernen mehr ist, als den Menschen mit Fachwissen abzufüllen. Es ging stattdessen darum, Fähigkeiten zu vermitteln, mit denen man sich Wissen selbst aneignen kann. Heute geht es darum, den Lernenden immer mehr unter fachlichem Beistand aktiv werden zu lassen. Man spricht von Ermöglichungsdidaktik, die sowohl Elemente der Belehrungs- als auch der Autodidaktik enthält.

Durch die Coaching-Begleitung hatte sich die Managerin befähigt, künftig spezielle Themen mit Ihren Teams selbst abzuarbeiten und eine ganz neue Mitarbeiter-Führung zu übernehmen. Die Teams haben ihre Ziele erreicht, beide. Und wir bereiten zusammen bereits den nächsten Workshop vor.

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