Mein erstes Coaching

Es ist ein wunderschöner Ferientag. Ich bin sieben Jahre alt und zum ersten Mal alleine im brandneuen Schwimmbad meines Heimatortes. Es wurde gerade erst eröffnet. Alles riecht neu. Ich bin ganz aufgeregt. Meinen Liegeplatz suche ich mir ganz alleine aus, und zwar direkt vor der Einstiegstreppe. So wie ich es gelernt habe, wate ich durchs Brausebecken, breite mein Handtuch aus und schon habe alles im Blick. Ich sehe jeden, der ins Wasser geht. Ich selbst muss mit dem Schwimmen noch warten. Heute Mittag gab’s meine geliebten gefüllten Paprika. Und, wie wir alle wissen - nach dem Essen muss jeder eine Stunde warten - sonst kann man sterben. Wegen der Hitze, dem Herz, der Verdauung... und nochwas, aber das fällt mir jetzt gerade nicht mehr ein. Jedenfalls ist es so, sagt die Mama.

Wie ich da so brav auf meinem Logenplatz sitze und mich gleichzeitig frei und pudelwohl fühle, sehe ich, wie ein Junge zögerlich über die Treppe ins Wasser steigt. Er ist circa zwölf Jahre alt und ganz dünn und blass. Hoffentlich hat er auch eine Stunde gewartet. Er wirkt so schüchtern. Bei jedem Wasserspritzer zuckt er zusammen als würde es ihm weh tun. Ich beobachte ihn genau, frage mich was er denkt, wie er sich fühlt.

Schnell wird mir klar: Er kann nicht schwimmen. Und als er mich hilflos anschaut, weiß ich: Dir werde ich heute das Schwimmen beibringen. Auch wenn ich es selbst erst seit ein paar Tagen richtig kann. Aber vor der Eröffnung des Freibads habe ich im nahen Schwarzbach schon ein bisschen vor-geübt. Ich mache mich an die Arbeit. „Stell dich ins Wasser, gehe mit deinen Füßen ganz normal am Boden und tu mit den Armen so, als würdest du schwimmen. Du wirst sehen, wie leicht das ist“, mache ich dem Jungen Mut. Genauso habe ich es im kalten Schwarzbach ja auch gemacht. Eine einfache, sichere, aber effektive (Mental-) Übung. Für den Jungen ist es scheinbar ganz normal zu tun, was die siebenjährige Juliane sagt.

Schritt für Schritt zeige ich dem dünnen Jungen alles. Ich bin in meinem Element, schaue weder nach rechts noch nach links, konzentriere mich ganz auf ihn. Jetzt kommt die Unterwasserübung. Ich gehe einen Schritt näher ans Wasser, gebe ihm genaue Anweisungen. Wir machen die gleichen Übungen – er im Kinderbecken, ich draußen. Ich fühle mich gut, wie ich hier am Beckenrand stehe, an einem Platz, von dem aus ich den Jungen im Ernstfall jederzeit retten könnte. Aber der macht so schnelle Fortschritte, pritschelt in dem einen Moment noch fröhlich und schwimmt im nächsten schon auf mich zu. Er strahlt übers ganze Gesicht. Und ich, ich strahle auch.

„Wie ist das gegangen? Wie habe ich das nur gemacht?“, frage ich mich. Ich habe ihn weder gehalten, noch sonst irgendwie körperlich berührt. Ich weiß nur, er hat mir vertraut und daran geglaubt, dass er es schafft. Und ich war felsenfest davon überzeugt, dass ich es ihm beibringen kann. In diesem Moment bin ich ganz erfüllt von einem Gefühl, das die Erwachsenen „Erfolg“ nennen. Ich fühle mich quietschlebendig und spüre zugleich Ruhe und Selbstverständlichkeit.

Wir haben es geschafft, der Junge und ich.

Schreiben Sie mir!

Ganz gleich, wo ich gerade bin – ich melde mich!